Geschichte aus „erster Hand“

Am Freitag, dem 9.6.2023, fand ein Geschichtsprojekt für die Jahrgangsstufe 10 statt. Nachdem alle im Raum 131 eingetroffen waren, begann die Lesung zum Buch „Drangsaliert und dekoriert- Von der Kunst des Überlebens“ durch Herrn Dr. Horst Böttge.

Sehr emotional schilderte er die Kindheitserlebnisse der beiden Brüder- Richard und Horst- in den letzten Kriegsjahren und in der Nachkriegszeit. Sein Bruder Richard, der den Beruf eines Betriebsschlossers erlernte, geriet mit 16 Jahren aufgrund eines „Jugendstreiches“, bei dem er mit abgebrannten Streichhölzern auf einem gerahmten Bild Lenins Bart nachmalte, in Haft.

Fünfzehn Wochen wusste die Familie nicht, was mit Richard passiert ist, nachdem er zu einer Befragung abgeholt worden war. Er galt als verschollen.

Verhöre in Hoyerswerda und im NKWD-Keller in Dresden folgten, er wurde zu 10 Jahren Haft verurteilt und musste ein Urteil unterschreiben, das er nicht lesen konnte, da es in russischer Sprache verfasst worden war. Schlechte Haftbedingungen, kaum Kontakt mit der Familie, gesundheitsgefährdende Arbeit in der Schneiderei kennzeichneten die folgenden 3 Jahre seines Lebens. Im Januar 1954 wurde er im Rahmen einer Amnestie entlassen.

Nach seiner Entlassung flüchtete er nicht in den Westen, sondern nahm seine berufliche Ausbildung wieder auf und studierte im Anschluss daran an der Bergingenieurschule in Senftenberg.

Das MfS führte über Richard Böttge eine Geheimakte, was alles über ihn aufgezeichnet wurde, erfuhr er erst, als er 2004 Akteneinsicht beantragte.

Horst Böttge hatte wenige Stunden vor dem Mauerbau die DDR verlassen, Treffen mit seinem Bruder fanden nur in der Tschechoslowakei oder in Ungarn im Urlaub statt, zu dem sie sich verabredet hatten.

Im Anschluss nutzten die Schüler*innen die Möglichkeit, Fragen an den Zeitzeugen zu stellen, so dass es eine Geschichtsstunde aus „erster Hand“ wurde.

S. Jahnke, K. Briesemann